Rolling Home

Es ist Sonnabend, 23. Juni 2300. Der Skipper liegt in seiner Koje. El Motor rackert vor sich hin und schiebt Zora bei Flaute nach Nordosten. Mit Ohrstöpseln ist das monotone Gebrabbel ein gutes Schlafmittel. Aber auf einmal wird die einschläfernde Monotonie unterbrochen: Die Drehzahl sinkt auf Leerlaufniveau und kurz darauf geht die Maschine aus. Der erste Gedanke: Nun hat der Motor endgültig den Dienst quittiert. Aber was ist das? Die Winschen knarren, Getrampel an Deck. Offensichtlich werden die Segel gesetzt. Also raus aus der Koje und nachsehen was los ist. Jörg, auf Wache im Cockpit, erkennt die Sorgenfalten im Gesicht des Skippers und grinst: Nein, El Motor hat nicht endgültig den Dienst verweigert. Der Wind ist viel früher wiedergekommen als erwartet.

Abschied von den Weißen Klippen von Dover

Hart am Wind mit einer schönen Brise aus Nordwest und ohne Motorlärm segelt Zora ab jetzt durch die erste Nacht auf der Nordsee. Der Kurs führt nördlich entlang am TSS Dover Straits und dann weiter aussen an den Zufahrten nach Antwerpen und Rotterdam vorbei. Hier pocht das wirtschaftliche Herz der EU: Tanker, Container, Schwerguttransporter, Kreuzfahrtschiffe, Kümos, Schlepper streben im Minutentakt an uns vorbei. Also schön außerhalb dieser hochverdichteten Speedways bleiben. Das erlaubt ruhiges Segeln ohne Stress auch in der Nacht. Auch Wind und Wetter bleiben uns gewogen. Der Nordwest hält durch und beschert entspanntes Segeln. Inzwischen hat Zora die Britischen Gewässer verlassen und segelt laut Karte auf Niederländischem Gebiet. Hier gibts zusätzlich zu Windparks und TSS zahllose Bohrinseln. Einer von diesen kommen wir offensichtlich ein wenig zu nahe: Der Skipper liegt wieder in der Koje und will eigentlich schlafen. Da quäkt es aus der Funke: Rode Zora v. Amsterdam, Rode Zora v. Amsterdam, Rode Zora v. Amsterdam… Wir werden aufgefordert mehr Abstand zu halten. Ansonsten ereignet sich nicht viel ausser Sonnen und Segeln.
Am Abend querab Den Helder zieht sich der Himmel zu, der Wind legt zu und dreht nördlich. Deshalb müssen wir vor Texel einen Kreuzschlag einlegen. Das reicht aus die Ecke von Nordholland zu runden und mit einem Schrick in den Schoten in die Deutsche Bucht zu preschen. Die Westfriesischen Inseln ziehen in der Nacht vorbei: Texel, Vlieland, Terschelling, Ameland, Schiermonnikoog. Vor Terschelling kommt am frühen Morgen eine ganze Flotte Fischer aus dem Schuitengat geschwärmt und kreuzt mit Brassfahrt unseren Kurs. Das treibt den Puls hoch, denn wir haben zwar das Wegerecht, aber die Fischer weichen nur mit Minimalabständen aus.
Am nächsten Morgen kreuzt Zora schließlich vor Borkum die Niederländisch-Deutsche Grenze. Der Wind ist kräftig und schiebt uns gegen die Tide mit 5 Knoten über Grund. Markus hat bei der starken Rollbewegung wieder mit Seekrankheit zu kämpfen. Kurz erwägen wir deshalb in Borkum einzulaufen. Aber das Timing ist ungünstig: Die Tide läuft mit vollen 3 Knoten aus der Osterems. Das wäre sehr ungemütlich und würde lange dauern. Also weiter nach Osten.
Ab 1700 läuft die Tide wieder mit. Nun könnten wir eigentlich gleich in die Elbe rauschen, aber wir haben noch eine Menge Zeit. Wir entscheiden uns für Helgoland. Am Ostende des TSS Terschelling German Bight holen wir die Schoten dicht und ballern nach Nordosten. Es sind noch 15 Meilen bis Helgoland, das wir beinahe anliegen können. Knapp 3 Stunden lang wird es nass auf dem Vorschiff. Bei 25 Knoten Wind und mit einem Reff im Groß ist das echtes Seglerglück. Die Freiwache meint der Steuermann habe im Cockpit vor Freude gejodelt. Um schon um 2200 Bordzeit, 2300 Ortszeit, ist der Spass vorbei und wir sind im Hafen von Helgoland. Wir haben zwei Tage und 17 Stunden für die 320 Meilen über die Nordsee gebraucht. Ein Holländer begrüßt uns unfreundlich als wir bei ihm längsseits gehen wollen. So etwas können wir jetzt nicht mehr gebrauchen. Wir verziehen uns an ein freundlicheres Boot und beenden den Tag mit einem Gin&Tonic und schlafen dann gut, lang und fest. Am nächsten Morgen wollen wir Helgoland erkunden.

Jörg, Markus und Tyll auf Helgoland

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