Regen

Am Abend hat die Crew der Zora die letzte Flasche Rotwein an Bord geköpft und ist dann in einen tiefen ruhigen Schlaf gefallen. Es war auch mal nicht so warm unter Deck, gerade mal 27 Grad. Nun dämmert das erste Licht durch das Skylight im Vorschiff und der Skipper will sich genüsslich wieder umdrehen, denn im Hintergrund hört man Geräusche die dem Unterbewusstsein nur allzu vertraut sind. Es trappelt auf Deck als ob tausend Mäuse darüber hinweg liefen. Doch halt! Was ist das? Ist das etwa Regen? Moment mal. Die schläfrigen Gedanken müssen erst einmal geordnet werden, der letzte Traum ins Unterbewusstsein gepackt und dann langsam die Koordinaten bestimmt. Heute ist der 25. März. Regen nicht ungewöhnlich, aber doch ein bisschen warm für März. Oh, wir sind ja gar nicht in Norddeutschland an einem grauen verhangenen Vorfrühlingstag Ende März. Wir sind auf der Westseite Puerto Ricos im kleinen Hafen Puerto Real.

Fischerort Puerto Real

Das muss erst einmal beguckt werden. Im Halbdunkel klettert der Skipper aus der Koje und geht an Deck. Tatsächlich: Langsamer, norddeutscher Landregen. So etwas hatten wir bisher noch nicht erlebt. Auf den Windward Island hat es geregnet, und zwar kräftig, mal mit Wolke und mal ohne, meistens aber nie mehr als 10 Minuten lang fiel Wasser vom Himmel als hätte jemand eine Pütz über uns ausgekippt, das ganze begleitet von ordentlich Böen. Aber alles schnell wieder vorbei. Die salzigen Badehandtücher wurden auf diese Weise regelmäßig gespült und das Deck war immer sauber, ohne das es je geschrubbt worden wäre. Im Sonnensegel sammelte sich dabei so viel Wasser, dass man sich damit problemlos die Haare waschen konnte.

Seit wir Ende Februar von St. Martin in Richtung Westen losgesegelt sind hat es kaum mehr geregnet. Puerto Rico haben wir südlich umrundet. Die Hügel und Berge an denen wir vorbeigefahren sind waren braun und trocken. Nun sind wir auf der Westseite der Insel. Hier ist es grüner, denn über den hohen Bergen kann die Feuchtigkeit in der Passatströmung kondensieren. Wenn diese Wolken langsam aufs Meer driften, bringen sie Regen an die Küste, so wie heute.

Pelikanfrühstück in Puerto Real

Der Skipper braut sich einen Kaffee und setzt sich dann unter die Sprayhood. Es wird langsam hell. Die Pelikane sind Frühaufsteher und haben mit ihrer Morgenmahlzeit begonnen. Auf einer vor Anker liegenden Motoryacht haben sie ihren Ansitz aufgeschlagen. Immer wieder hebt einer von ihnen ab, dreht eine Runde über der Bucht und stürzt sich dann halsbrecherisch ins Wasser. Fast jedes Mal sieht man den Erfolg dieser Kunststücke in der großen Tasche unter dem Schnabel zappeln. Dann gibt’s eine kurze Fresspause und das Spiel beginnt erneut. Wie die Pelikane die Fische aus der Luft finden bleibt ein Rätsel, denn das Wasser ist bräunlich trübe. Das liegt zum einen an den Mangroven, die das Ufer der Bucht bilden, aber sicher auch am kleinen Ort Puerto Real, wo man die Regeln von Marpol nicht kennt oder nicht ernst nimmt.

Die Kulisse ist trotzdem idyllisch. Die kleinen bunten Häuschen am Ufer haben allesamt eine Terasse am Wasser. Wer findet da Anstoß, wenn mal eine Salatschüssel ins Wasser fällt und über die Bucht treibt, oder wenn das Spülwasser oder sonstiges noch weniger appetitliches im Meer landet? Die Fische und die Pelikane scheint es nicht zu stören und die Anwohner dieser wunderschönen Bucht ebenso wenig, denn man sieht sie auch in der trüben Brühe fischen. Uns allerdings verdirbt die Wasserqualität den Badespaß.

Mangrovenidylle in der Bucht von Guanica

Der ist allerdings in den letzten Tagen nicht zu kurz gekommen, denn an unseren letzten Ankerplätzen hatten wir kristallklares, türkises Karibikwasser. Von Ponce aus waren wir gemütlich 15 Meilen bis Guanica an der Küste entlang gesegelt und hatten uns dann tief drin in der Buch hinter den Cayos de Cana Gorda vor Anker gelegt. Eine dieser Inseln ist auch unter dem Namen Guilligan´s Island bekannt. Von einem kleinen Restaurant verkehrt eine Fähre regelmäßig und bringt tagsüber Badegäste. Abends herrscht tiefe Ruhe, abgesehen von der Brandung die vom Mar Caraibe gegen die Außsenseite der Insel läuft.

Guilligan´s Island

Weiter westlich waren wir zum Ort Parguera gefahren. Dort liegen eine Unzahl von kleinen Mangroveninseln hinter zwei Reihen Korallenriffen und schaffen eine riesige ruhige Wasserlandschaft voller Charme. Am ersten Abend lagen wir direkt vor dem kleinen Ort, der offensichtlich ein beliebtes Ausflugsziel in der Umgebung ist. Es gibt dort mehrere Bootsvermieter und man kann Touren mit Kayaks in die benachbarte Bahia Fosforescente buchen. Allerdings rauschen bis spät in die Nacht die Motorboote mit hohem Speed zwischen den Inselchen hindurch und produzieren Lärm, Schwell und Gestank. Deshalb waren wir nach der ersten Nacht etwas weiter weg vom Ort hinter eines der Korallenriffe umgezogen und hatten uns hinter Cayos La Gata vor Anker gelegt. Den Weg dorthin hatten wir mit viel Vorsicht und sehr langsam zurückgelegt, denn die Tiefenangaben in der Karte sind wenig zuverlässig zwischen diesen Inselchen. Diese Vorsicht fanden wir am Nachmittag bestätigt, denn eine größere Badegesellschaft musste ihre Motoryacht von einer Untiefe schieben, auf die sie mit ordentlich Speed gefahren war. Dabei gab es fast noch einen Seenotfall, denn kaum war das Boot in tieferes Wasser gelangt stellte sich heraus, dass zwei Damen gar nicht schwimmen konnten und Hals-über-Kopf gerettet werden mussten. In Puerto Rico scheinen solche Ereignisse dem Alltag anzugehören, denn in jedem Hafen findet man “SeaTow”, eine kommerzielle Bergungsgesellschaft für Sportboote, die gegen einen stattlichen Obulus Freizeitskipper aus mißlichen Lagen befreit. Die Coast Guard wird in solchen Fällen wahrscheinlich nicht tätig: Auf UKW hören wir wie die Coast Guard per PAN PAN Hilfe anfordert für eine gekenterte Yacht vor St. Croix: “30 – 40 Foot boat capsized 4 nautical miles north of Christansted. People are in the water. Vessels in the vicinity are requested to assist.” Wir waren da mehr als 100 Meilen entfernt und konnten nicht helfen.

 

In Parguera wären wir gerne noch geblieben. Aber von Norden nähert sich eine weitere Kaltfront, die kräftige NE Winde und nördlichen Schwell bringen soll. Da denken wir es würde entspannter sein das ruhige Wetter zu nutzen um zu unserem Absprungspunkt in Richtung DomRep zu gelangen. Dieser Ort ist Puerto Real mit seiner kleinen Marina, in der wir das Boot sicher zurücklassen können. Wir haben nämlich noch ein paar Tage Zeit und die wollen wir für ein paar Ausflüge ins Hinterland nützen. Und wir wollen noch Diesel und Wasser bunkern, denn wie gut die Versorgungsmöglichkeiten in der DomRep sind, können wir nicht einschätzen.

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