Puerto Rico

Von Puerto del Rey wollen wir früh los in Richtung Westen. Der nächste geeignete Ankerplatz ist 35 Meilen entfernt und liegt hinter einem Korallenriff. Da wollen wir nicht im Dunkeln ankommen. Aber der Skipper hat in der Nacht über einige Merkwürdigkeiten in der Schiffselektrik nachgedacht und möchte nun die Starterbatterie tauschen. Er glaubt das ginge in PDR deutlich einfacher als anderswo, denn hier gibt´s einen Ausrüster, der auch entsprechende Batterien führt und die netten Golfcarts fahren die schwere alte Batterie zum Ausrüster und die neue wieder zum Schiff. Wo bekommt man sonst einen solchen Service? Allerdings macht der Ausrüster erst um 08:30 auf. Pünktlich, wie er meint, steht der Skipper vor der Ladentür, aber nichts regt sich. Irgendwann kommt mal jemand vorbei und deutet an, dass der Laden wohl erst in einer Stunde öffnet. Der Skipper glaubt das liege am lateinamerikanischen Zeitmanagement. Aber er irrt sich. Seine Uhr geht um eine Stunde falsch! Wie das? Unser Wetterbericht auf 8137 kHz SSB aus Miami sendet seit Sonnabend eine Stunde früher. In den USA wurde nämlich die Sommerzeit an diesem Wochenende eingeführt. Außerdem hat sich die Uhr auf Gesas iPhone ebenso um eine Stunde vorgestellt. Da haben wir naiv angenommen auch Puerto Rico habe die Uhren vorgestellt. Aber die ticken hier nur bedingt im Takt von Washington und bleiben einfach in derselben Zeitzone.  Also muss der Skipper wohl oder übel abwarten.

Schließlich erscheint der Ladeninhaber pünktlich nach seiner Uhr und der Skipper bekommt die neue Batterie. Die juckelt dann mit dem Golfcart über die Stege von PDR bis zum Liegeplatz und wird auch sofort eingebaut. Dazu muss der Skipper durch die Backskiste in den Maschinenraum unter das Cockpit, eine Tätigkeit die schon in einer Hamburger Bootslagerhalle bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt den Schweiß aus den Poren treibt, ganz zu schweigen bei karibischen 30 Grad!

Auf diese Weise beginnt die Reise heute nicht wie geplant um 08:00 sondern erst um 11:00. Zunächst geht es gegenan nach Osten um die Isla Pineros und die Punta Puerca, dann mit Kurs SW immer an der Ostküste Puerto Ricos entlang in Richtung Punta Tuna. Erste Sehenswürdigkeit ist die ehemalige Naval Base “Roosevelt Roads”. Hier hatte die Navy im zweiten Weltkrieg eine riesige Anlage errichtet um im Notfall die gesamte Britische Flotte aufzunehmen, sollte Hitler tatsächlich Großbritannien besetzen. Diese gigantische Anlage ist inzwischen aufgegeben und nur rostende Kräne lassen erahnen, was hier einmal vorhanden war, zwischendrin trostlos eine kleine Marina, in der noch einige ehemalige Offiziere ihre Booten haben.

Auf Backbord liegt Viequez, das wir leider nicht besucht haben und dessen Silhouette sich eindrucksvoll im Gegenlicht präsentiert. Auf Steuerbord sehen wir im Fernglas die Marina Palmas del Mar, die wir nicht anlaufen wollen, da in der Einfahrt bei der vorherrschenden Windlage die Wellen brechen können. Denn als wir aus dem Lee von Viequez herauskommen bekommen wir wieder ordentlich Welle, ein Gruß aus Martinique meint der Skipper zur Crew, wo zurzeit “Brisk Trades” vorherrschen, wie sich Chris Parker in seinem hervorragenden Wetterbericht ausdrückt. Während wir so um Punta Tuna, die SE Ecke von Puerto Rico, herumsegeln, bekommen wir Besuch von der Policia, die sich mit einem potenten Rib durch die Welle kämpft. Wir lauschen aufs UKW und beobachten durchs Glas, was die Obrigkeit von uns will und zu tun gedenkt. Doch die winkt nur freundlich und verschwindet achteraus.

Wir nehmen das erleichtert zur Kenntnis und setzen unseren Weg fort, der heute vor dem Örtchen Puerto Patillas endet, einigermaßen geschützt von einem vorgelagerten Korallenriff, das wir sehr aufmerksam und vorsichtig runden. Als wir schließlich rum sind, sinkt die Aufmerksamkeit deutlich ab, so dass uns nicht auffällt, dass wir in viel zu flaches Wasser gelangen. Zwei oder drei satte Rrrums, mit denen unser Kiel auf dem Grund aufsetzt, wecken unsere Sinne wieder. Aber das Problem ist durch beherztes Rückwärtsfahren rasch beseitigt und wir liegen sicher vor Anker. Allerdings ist der Platz nur bedingt Katalog-geeignet. Die seit fast 10 Jahren andauernde Wirtschaftskrise in Puerto Rico hat solchen Orten ordentlich zugesetzt und die einladende Beschreibung im Hafenhandbuch lässt sich nur noch mit viel Phantasie mit der Wirklichkeit in Übereinklang bringen. Noch dazu ist die “Anchorage somewhat rolly”, auf gut Deutsch: Man muss die Bierflasche ordentlich festhalten sonst braucht man sie nicht selber auszutrinken.

In den Mangroven von Bahia de Jobos

Am  nächsten Morgen gehts darum ohne viel Gedöns ankerauf und weiter in Richtung Bahia Jobos. Der Passat ist wieder kräftig und die Welle ausgeprägt. Gesa findet das langsam anstrengend und freut sich, dass wir nach nur 4 Stunden wieder hinter ein Korallenriff verschwinden. Wir hätten da auch schon früher sein können. Aber wir verzichten die nicht ausgetonnte Einfahrt “Bocas del Infierno” zu nutzen, der Name sagt hier, glaube ich, bereits alles. Stattdessen segeln wir 5 Meilen extra und fahren durch die ausgetonnte tiefe und breite Zufahrt für den Hafen von Jobos. Die im Handbuch angepriesene Betonnung besteht allerdings nur aus  einem winzigen Tonnenpäärchen und einer ziemlich unscheinbaren rostigen Bake an Land, beides nur mit guten Augen und dem Fernglas zu finden. Aber Navigation in der Karibik ist einfach: immer sichtiges Wetter! So gelangen wir sicher in eine wunderschöne Bucht, in der sich ausser uns niemand befindet. Die Ufer sind dicht mit Mangroven bewachsen. In der Ferne sieht man die Hügel und Berge von Puerto Rico und nur ein Kräuseln kann der Wind auf die Wasserfläche zaubern. Einzig das große Kraftwerk von Jobos im Hintergrund verdirbt ein wenig die Postkartenidylle. In dieser Bucht soll es die besten Hurricane-Holes von Puerto Rico geben, tief drinnen in den Mangroven, wo man sich mit vielen Leinen rundum an den stabilen Wurzeln festbinden kann. Wir erkunden diese später am Nachmittag mit unserem Dinghi, aber selbst für das Dinghi sind die allerletzten Ecken nicht mehr erreichbar: Alles dicht zugewachsen.

Trotz Idylle verholen wir nach einer wunderschönen ruhigen Nacht in die 3 Meilen westlich gelegene kleine Bucht von Salinas. Hier soll es eine Marina geben und einen kleinen Ort. Auch die Bucht von Salinas gilt als Hurricane Hole. Aber hier hat der Schutz beim letzten Mal nicht ausgereicht: Das sehen wir sofort beim Einlaufen. Überall ringsum in den Mangroven sind noch Wracks oder Reste davon. Selbst in der wunderschönen kleinen Durchfahrt zwischen zwei Cays zur Playa de Salinas liegt noch ein Boot auf Grund. Das zerfetzte Rollsegel weht im Wind. Es fällt uns immer wieder schwer zu begreifen, warum dieser Müll nicht beseitigt wird. Wem gehören alle diese gesunkenen Boote und sorgen die Behörden nicht dafür, dass die gehoben und entfernt werden? Oder hat die wieder aufgebaute kleine Bar direkt am Ufer kein Interesse daran, dass der Blick von der wunderschönen Terasse nicht auf einen Müllhaufen geht? Aber, wie gesagt, die Uhren ticken anders hier.

Salinas, PR

Wir erledigen unsere emails, versuchen erneut eine Reservierung in einer Marina in der DomRep zu arrangieren und machen eine kleine Wanderung zum 3km entfernten Salinas. Der Weg dorthin führt erst am Strand entlang und dann durch Wohngebiete, die allesamt mit Mauern und Gittern gesichert sind. Uns befällt Unbehagen wenn wir uns versuchen vorzustellen, wovor diese Mauern, Zäune und Gitter die Bewohner schützen sollen. Wir fühlen uns hier eigentlich nicht bedroht. Aber auch mancher Autofahrer macht sich Sorgen um uns und hält an um uns an unser Ziel zu bringen. Vielleicht sind wir doch zu naiv. Aber die spontane Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft aller, mit denen wir in Kontakt kommen, lässt solche Gefühle nicht aufkommen.

Auf der Straße in Salinas, PR

Salinas ist ein geschäftiges kleines Örtchen mit der derben Mischung aus Charme, Verfall und Müll, an den wir uns nicht gewöhnen wollen. Die Kirche und das Rathaus sind hübsch an einem kleinen Platz gelegen mit obligatorischer Statue eines lokalen Helden aus Bronze und mit Anzug und Krawatte, an den Straßen überall üppige Blüten in traumhaften Farben. Auf dem Weg aus dem Ort dann wieder verfallene, eingestürzte Häuser, Schlaglöcher. Der Supermarkt am Stadtrand inmitten eines gigantischen Parkplatzes könnte auch in jeder Stadt auf dem US Amerkanischen Festland zu finden sein. Laut Wikipedia hat Puerto Rico das höchste pro Kopf Einkommen in der Karibik, den Zahlen nach vergleichbar mit Italen. Wenn man die großen Autos hier sieht oder die Preise im Supermarkt betrachtet, erscheint das plausibel, entlang der Straßen in Salinas allerdings weniger. Mit Verpflegung im Rucksack wandern wir schließlich zurück zu unserem Liegeplatz und geniessen auf der Terasse der Bar ein Bier mit Blick auf die Bucht: Wenn man in die richtige Richtung schaut ist alles sehr idyllisch.

 

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