Oh say can you see…

Die Expressfähre braust von Tortola nach Westen. Das Schiff sieht aus wie ein Schnellboot der Marine und ist entsprechend laut. Die Maschine röhrt und der Schiffskörper vibriert. Mit fast 30 kn fliegt die Küste von Tortola an uns vorbeit. Dann kommt offenes Wasser. Der im Norden über dem Atlantik tobende Wintersturm hat mächtig Schwell hierher geschickt. Die Fähre reduziert ein wenig die Fahrt, damit das Aufsetzen des Rumpfes die Passagiere nicht zu sehr durcheinander wirbelt. Aber es knallt und rummst mächtig, wenn der Aluminiumrumpf in die vielleicht 3m hohen Wellen einsetzt. Auch der Schiffsführer scheint von dem Schauspiel beeindruckt und kommt aus dem Steuerhaus um mit seinem Handy zu filmen: Rechts und links branden die Wellen meterhoch an die Inseln. Das Wasser ist türkisblau wie ein Gletscherbach vom aufgewirbelten Sand. Doch das Spektakel dauert nicht lange. Dann erreicht das Boot die Durchfahrt zwischen St. John und St. Thomas und schließlich im Lee der Inseln ist das Wasser wieder glatt. Wenig später laufen wir in Charlotte Amalie ein, der Hauptstadt von St. John und damit Teil der Vereinigten Staaten von Amerika.
Die Crew musste fürs Erste die Zora auf Tortola zurücklassen um die bürokratischen Hürden zu nehmen, di

Mit der Fähre ins Gelobte Land

e das Ministerium für die Sicherheit der Heimat vor eine Einreise auf eigenem Kiel in die USA errichtet hat – würde da nicht unser neuer Bundesinnenminister vor Freude glucksen… Ja, in der Tat, während wir mit Flugzeug oder Schiff ohne Visum im gelobten Land einreisen, benötigt man für die Einreise mit dem eigenen Wasserfahrzeug ein waschechtes Besuchervisum. Letzteres kann man bei einem Konsulat der Vereinigten Staaten bekommen, also z. B. Berlin oder Frankfurt. Das geographisch nächste zur aktuellen Position der Zora befindet sich auf Barbados. Es wäre recht aufwändig dorthin zu reisen. Warum das alles so ist? Darauf gibt es eine einfache aber unbefriedigende Antwort, die einem jeder in schmucke Uniform gekleidete US Amerikanische Beamte entgegenschleudern wird: “It´s the law!” Aber wie jedes Gesetz hat auch dieses ein “loophole”: Wenn man einmal mit einem öffentlichen Transportmittel ohne Visum eingereist ist, dann bekommt man einen Stempel in den Pass, der 90 Tage Gültigkeit hat. Und mit diesem wiederum darf man in den nächsten US-Amerikanischen Hafen segeln.
Schon auf Martinique war uns das Problem mit dem Visum aufgefallen und unser Shore Team in Freiburg hatte dann die Lösung mit dem Stempel heraus gegoogelt, zu dessen Umsetzung wir heute unterwegs sind. In der Praxis geht das so: 1. Irgendwo hinsegeln, wo man Internet bekommt. 2. Eine elektronische Reisegenehmigung, vulgo ESTA, einholen. 3. Tickets für eine öffentliches Verkehrsmittel erwerben, das das Territorium der USA ansteuert. 4. Letzteres besteigen und unversehrt den Boden der Vereinigten Staaten betreten, ausgestattet mit einem biometrischen Pass. 5. In der unterprivilegierten Schlange für Nicht-Amerikaner und sonstige Fieslinge mindestens eine Stunde warten. 6. Abdrücke sämtlicher Extremitäten abliefern und sich ablichten lassen sowie allerlei irrelevante Fragen beantworten. 7. Mit dem Stempel im Pass gleich wieder den Rückweg antreten.
Bei der Umsetzung dieser Vorschrift befinden wir uns jetzt gerade, allerdings im zweiten Versuch. Denn beim ersten war aus unerfindlichen Gründen Gesas ESTA Antrag nicht durchgegangen und die Mitteilung darüber war im SPAM Ordner verschwunden, was dann zu einer nutzlosen Taxifahrt für lockere 56 Taler (i.e. Dollar) geführt hatte. Aber zurück zum Kern des Geschehens:
Nach den völlig zerstörten Britischen Jungferninseln wirkt St. Thomas wie eine heile Welt. Zwar haben auch hier die beiden Ladies from Hell, Irma und Maria, gewütet. Aber entweder die Amis haben schon alles in unnachahmlicher Effizienz und Geschäftigkeit wieder aufgebaut oder die Schäden waren viel weniger schwer, vielleicht beides. Auch das Ambiente ist hier ganz anders: Im Hafen liegen drei Kreuzfahrer, zwei von der Britischen und einer von der Französischen Variante. An der Strandpromenade braust der Autoverkehr. Wir betreten mit etwas bangem Herzen das Empfangsgebäude der Homeland Security und reihen uns brav in die Schlange der Wartenden. Nach der obligatorischen Stunde werden wir mit dem Ritterschlag der Einreisebehörde belohnt: “You did the right thing!”.
Eigentlich könnten wir jetzt gleich wieder zurück nach Tortola, aber die nächste Fähre geht erst wieder in 4 Stunden und die verbringen wir mit einem Stadtbummel: Direkt am Hafen liegt das alte Dänische Fort aus dem 17. Jahrhundert. Die Besichtigung des alten Gemäuers gegen 10 Taler ist nicht sehr eindrucksvoll, aber allemal netter als das Spießrutenlaufen durch die Mainstreet, wo sich ein Juwelier an den anderen reit. Hier werden die Schiffstouristen (nicht die Segler) abgefischt. Denn St. John ist zollfrei! Wir finden das Spektakel widerlich und verdrücken uns in eine Seitengasse, wo man die Bebauung mit Lagerschuppen aus Dänischer Zeit noch erahnen kann und man im Schatten ein Carib gegen 5 Taler bekommt. Pünktlich um 14:30 donnern wir dann wieder mit der Fähre zurück nach Road Town und mit dem Taxi für 28 Taler ans Westende der Insel, wo Zora wohlbehalten um ihre Ankerkettekette schwojt.
Am Abend geben wir dann unsere Abenteuer beim gemütlichen Bier an unsere Ankerfreundschaften wieder: Ian und Manuelle aus London von der Mister X und Pouwel und Marji aus den Niederlanden von der Gwelan. Letztere eine Victoire 1200 aus der Feder von Meister Koopmans. Die Ähnlichkeiten zur Zora sind unverkennbar!

2 Replies to “Oh say can you see…”

  1. Hallo Gesa,
    heute war die BR-Wahl und ich gratuliere Dir zur Wahl. Die meisten Stimmen hatte diesmal Frau Danielewski und dann Du, Linda, Christine und Frau Ramsell sind im BR, als ordentliche Mitglieder. Christiane, Gerd-Jürgen, Frau Bober und Frau Petersen sind Ersatzmitglieder. So ist das vorläufige amtliche Ergebnis. Ich wünsche Euch weiterhin eine gute Reise und die nötige handbreit Wasser unter dem Kiel.
    Liebe Grüße auch an die Crew (die hoffentlich weiter Bericht gibt)
    Bettina

  2. Lieber Tobias, liebe Gesa,
    Vater ist gerade bei mir zu Besuch und lässt Euch sehr herzlich grüßen. Nachdem es hier heute Nacht wieder geschneit hat, hätten wir gerne auch schönes karibisches Wetter. Vater findet Eure Unternehmung mutig und hofft, dass Ihr sie ohne Stürme genießen könnt.
    Herzliche Grüße aus Biburg,
    Wolfdieter, Justus und Therese (Adelheid ist gerade im retreat in Bayerischzell)

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