Knistern in der Bilge

Der Kran ächzt und knarrt. Der Kranfahrer, auf Französisch “Grutier”, macht ein ärgerliches Gesicht und fummelt an seiner Fernbedienung. Aber alles umsonst. Jedesmal, wenn der vordere Gurt den Kiel einen halben Meter angehoben hat, gibt es einen Alarm wegen Überlast und der Kiel sinkt langsam wieder zu Boden.

Der Skipper erklärt dem Grutier, dass am Morgen desselben Tages das Schiff ohne Probleme aus dem Wasser gekommen sei. Da sei die Lastverteilung zwischen vorne und hinten anders gewesen. Das Schiff habe weiter hinten in den Schlingen gehangen. Der Grutier hört nicht zu sondern versucht ein Stück zu fahren, während das Schiff langsam zu Boden sinkt. Wir sollen jeweils rechtzeitig einen Holzklotz unter den Kiel schieben. Nach zwei Versuchen, die uns nur wenige Meter voran bringen aber das Schiff in furchterregendes Schaukeln versetzen,  hat schließlich der Grutier ein Einsehen: Das Schiff wird nochmal aufgepallt, die Schlingen werden um einen halben Meter verschoben und danach kann Zora ohne weitere Schwierigkeiten zu Wasser gehen.

Doch die Geschichte sollte von Anfang an erzählt werden: In unseren ersten Tag an Bord auf Martinique war uns aufgefallen, dass man in ruhigen Momenten, z. B. am Abend vor Anker, ein eigenartiges Knistern aus der Bilge hören konnte. Es hörte sich an wie wenn jemand die kleinen Blasen von Luftpolsterfolie platzen läßt, ein Hobby übrigens, dem Gesa mit Leidenschaft nachgeht. Ein solches Geräusch hatten wir an Bord bisher nicht gehört. Der Skipper hatte sich darüber eine Weile den Kopf zerbrochen und das Knistern dann als das Ergebnis von vielen Schraubengeräuschen in weiter Ferne interpretiert. Irgendwann stellte natürlich auch Gesa die Frage, was das Geräusch wohl sein könne und der Skipper antwortete spontan: “Das sind die kleinen Muscheln, die am Rumpf wachsen.” Denn in der Tat begann sich unser Schiff einen Bart zuzulegen, der schneller zu wachsen schien als der im Gesicht der Besatzung.

Zora hat sich einen Bart zugelegt, der besonders abends knistert!

Die Tradewind Crew hatte unterwegs an einem Flautentag das Schiff noch einmal ordentlich geschrubbt und auch der Skipper hatte nach der Ankunft auf Martinique beim Baden die Schrubberbürste geschwungen. Aber 15 Tonnen Schiff haben eine ziemlich große Oberfläche und unsere blinden Passagiere außenbords hatten auch gar nicht die Absicht sich einfach vertreiben zu lassen. So reifte der Plan an einem geeigneten Ort an Land zu gehen und die Unterwasserfarbe zu erneuern. Diese war nämlich schon einige Jahre alt, nicht für tropische Gewässer gemacht und Zoras letzter Landaufenthalt lag schon zwei Jahre zurück. Vielleicht sollte man auch mal die Anoden kontrollieren, die Ruderlager schmieren und eine generelle Inspektion durchführen.
Der Hafen in Point-à-Pitre schien für diese Übung ideal. Denn dort gibt es eine ordentliche Werft mit viel Infrastruktur und gleich eine ganze Reihe Ausrüster bei denen wir Material erwerben wollten. Einziges Hindernis: In der Capitainerie erklärte man uns, die Werft sei auf Wochen ausgebucht. Man wolle uns allenfalls auf die Warteliste setzen.
Nachdem der Wetterbericht für die kommenden Tage ein ordentliches Windfeld vorhersagte mit teilweise über 30 Knoten, entschloß sich die Crew, dass man ja mal ein paar Tage warten könne. Vielleicht würde sich eine Möglichkeit ergeben. Dann drehte der Skipper noch eine Runde durch die Werft. Nach zwei Tagen Warten hatte sich an der Warteliste nichts verändert, allerdings bekamen wir den Rat doch mal direkt mit dem Vorarbeiter zu reden. Vielleicht ginge da ja was. Und in der Tat: Nach etwas Klönschnack, gutem Zureden auf Französisch und der Versicherung, dass wir tatsächlich nur 8 Stunden benötigten, hieß es: Kommt morgen früh um Acht. Einen Helfer zum Kärchern etc. müssten wir aber selber organisieren.
Dieser Helfer war schnell gefunden, denn am Hafen hatten wir bereits mit Ian aus Dominica gesprochen, der sich mit allerlei Gelegenheitsarbeiten an Schiffen über Wasser hielt, ein weiteres Opfer von Hurricane Maria. Ian sagte sofort zu und stand dann auch pünktlich am nächsten Morgen am Schiff. Natürlich konnten wir nicht wie versprochen um 8:00 kranen, denn vorher mussten noch allerlei Schiffe wieder ins Wasser gesetzt werden.

Zora auf Werft in Pont-à-Pitre

Aber um 10:00 stand Zora dann tatsächlich sehr sorgfältig aufgepallt an Land. Und zur Überraschung der meisten neugierigen Mitstreiter der umliegenden Schiffe war Zora auch tatsächlich rechtzeitig fertig um pünktlich wieder zu Wasser zu gehen. In nur etwas unter 6 Stunden hatte die Crew der Zora zusammen mit Helfer Ian das Schiff gekärchert, trocknen lassen, mehrere Stellen grundiert, den Propeller gebürstet, die Anoden gereinigt, die Ruderlager abgeschmiert und dann komplett gemalt. Die Zeit reichte sogar noch um mittags eine Pizza zu essen und am Nachmittag gemütlich mit Ian im Cockpit einen Kaffee zu trinken und den anderen beim Arbeiten zuzuschauen.

Ian und Tobias haben Zora gemalt

Tja, fast perfekt, wäre da nicht die Tatsache, dass durch die heftigen Kranmanöver unser Windgenerator gegen die Traverse geditscht war und nun neue Flügel fällig sind. Immerhin hat die Werft die Kosten dafür erstattet. Fragt sich nun nur wie wir auf Guadeloupe an neue Blätter für unseren Silentwind gelangen.
Ach ja, das Knistern: Das ist nun tatsächlich nach dem Reinigen und Malen verschwunden! Jetzt haben wir einige Tausend blinde Passagiere weniger.

Zora fertig gemalt mit edlen 4 l Seahawk Island 77 auf der Haut

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