Man against Machine

Wenn man von St. Lucia nach Martinique möchte, dann muss man in St. Lucia ausklarieren. Dieser Begriff ist den Seglern in Nordeuropa irgendwie abhanden gekommen. Denn seit offener Grenzen in Europa fährt man von Deutschland nach Dänemark oder nach England oder in die Niederlande und macht je nach Geschmack in jedem Hafen fest, geht an Land ohne Gedanken an Grenzen, Hoheitsgebiete oder gar Kontollen. Gelegentlich soll zwar mal der Zoll vorbeikommen. Der ist dann aber immer freundlich, fragt nach dem Woher und Wohin, ob an Bord etwas zu deklarieren sei, und wünscht dann eine gute Reise.
Ganz anders außerhalb der Grenzen der EU. Da wird immer noch ein- und ausklariert nach Herzenslust mit vielen Stempeln, Formularen, Crewlisten, Blaupapier und das alles überwacht von strengen Menschen in eindrucksvollen Uniformen und noch eindrucksvolleren Mützen, die ihre Aufgabe sehr ernst nehmen.
So auch diesmal in St. Lucia: Der Skipper ist mit dem Beiboot gegen den Wind ca. 1 Meile vom Ankerplatz in den Hafen gepullt im Gepäck die Schiffspapiere. Was der Skipper allerdings übersehen hatte: Der strenge Offizielle will sich mit seinen Stempeln auch in den Pässen der Crew verewigen: “That´s common sense!”, sagt er ohne mit der Wimper zu zucken. Und die Pässe sind noch an Bord! Da  hilft keine trauriger Blick und kein Appell an die Gutmütigkeit des Vertreters der Staatsgewalt von St. Lucia. Der Skipper muss die Meile zum Schiff zurück und dann mit Pässen wieder ein Meile gegen den Wind in den Hafen. Vielleicht würde sich ja einer der Segelkameraden mit ihren gut motorisierten Schlauchbooten erbarmen und einen Schlepp anbieten. Doch diesmal nicht! Als wolle der Himmel diese Lektion in Sorgfalt besonders tief einbrennen, flitzen mehrere Schlauchboote vorbei ohne irgendwelche Zeichen von Hilfsbereitschaft. Etwas 40 Minuten später und um einige Schweißperlen auf der Stirn reicher, ist die leidige Prozedur dann erledigt, die Pässe gestempelt, das Ausreiseformular unterschrieben, die Crewliste in 3-facher Ausführung in den Akten abgelegt und die Zora frei zu segeln, wohin sie möchte. Das tut sie dann auch schleunigst, kehrt St. Lucia den Spiegel zu und verschwindet nach Norden in Richtung Martinique.

Die Erinnerung an dieses Erlebnis bewegt die Crew eine Weile und man fragt sich, wie solche Probleme in Zukunft zu vermeiden, bzw. zu entschärfen wären. Immer mehr drängt sich die Erkenntnis auf, dass das Dinghi vielleicht doch einen Aussenborder braucht. Über Jahrzehnte waren wir unterwegs in Nord- und Ostsee und haben das lärmende Utensil nie vermisst. Ganz im Gegenteil, wir haben uns mehr über die randalierenden Jugendlichen geärgert, die mit dem elterlichen Radiergummi die Ruhe am Ankerplatz störten. Auch die Kinder haben mit Hingabe gepullt und nach langen Segeltagen überschüssige Energie ohne Knattern abgebaut. Diese Philosophie sollte uns auch auf der Westseite des Atlantiks begleiten. Aber wir müssen eingestehen, dass die Umstände hier ganz andere sind: Gute Ankerplätze sind oft weit von Häfen und Einkaufsmöglichkeiten. In St. Lucia z. B. fahren die Mitglieder im Club der Knatterbüchsen mit dem Dinghi direkt zur “Mall”, während die heldenhaften Ruderer schweißgebadet mit Rucksack einen 2km weiten Bogen an einer vielbefahrenen Straße bewältigen, zweimal wohlgemerkt mit ordentlich Gewicht auf dem Rückweg.

Die Gelegenheit, bzw. Versuchung, bietet sich dann schon zwei Tage später in der Marina von Marin. Bei einem der Ausrüster steht ein kleiner Honda mit 2,5 PS im Schaufenster. Der wäre genau das Richtige und selbst der Preis ist gerade noch akzeptabel. Über den Einkauf diskutiert die Crew einen Abend und wirft dann die alten Vorbehalte über Bord. Am nächsten Morgen geht´s zurück nach Marin, diesmal mit Bus aus dem hübschen St. Anne. Der Skipper marschiert geradewegs zum Verkäufer und erklärt, er wolle das Motörchen kaufen und auch gleich mitnehnmen. So schnell geht´s dann allerdings nicht: Der Motor braucht noch seine erste Wartung und muss auch mit Öl befüllt werden. Während das geschieht sitzt die Crew im Café und überlegt wie es wohl sein wird im Club der Knatterbüchsen.

Die Realität lässt nicht lange auf sich warten: Der Verkäufer fährt Motor und Crew in seinem Lieferwagen bis ans Dinghi Dock in St. Anne. Der Skipper bringt es dann sogar noch fertig das Ding zu starten, obwohl beim Herunterreichen ins Beiboot der Vergaser übergelaufen ist und mindestens 100 Mal an der Strippe gezogen werden muss. Als das Motörchen schließlich läuft, fällt die Crew um ein Haar ins Wasser, denn der Gasgriff steht auf Vollgas und das Ding hat eine Fliehkraftkupplung, die das Boot schlagartig losschießen lässt… Dieses Erlebnis und die Erkenntnis, dass man nun das Dinghi immer anschließen muss, dämpfen den Enthusiasmus. Aber schon am nächsten Tag in der Anse d´Arlet geniessen wir die neuen Möglichkeiten und unternehmen eine Besichtigungstour der Bucht unter Motor, der bei halber Kraft, unser kleines Boot sehr zufriedenstellend bewegt und dabei nicht einmal so schrecklich knattert…

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