Der goldene Käfig

Die Zora verlässt St. Pierre am Montag morgen kurz nach 09:00. Erst um 08:00 macht das Office de Tourisme auf, in dem man ausklarieren kann.  Bei stetigem Ostwind und Kurs SSE geht es unter der Küste von Martinique nach Süden in Richtung St. Lucia. Dort wollen wir erst einmal die Marina in Rodney Bay ansteuern und uns über St. Lucia erkundigen. Von den Bridoux’s haben wir allerlei Gruselgeschichten von Überfällen und Diebstahl gehört.

Südlich der Pointe du Diamant mit dem eindrucksvollen Roche du Diamant beginnen wir die Atlantikdünung zu spüren. Der Passat ist heute eher mild gestimmt und ohne den Druck im Rigg werden die ersten Meilen im St. Lucia Channel etwas holprig. Gesa findet das gar nicht witzig und begibt sich mit einer Tablette Tavor unter Deck. Als wir schließlich frei sind von Martinique nimmt der Wind wieder zu, wird stetiger und die Welle gleichmäßig. Gegen 17:00 laufen wir in die Rodney Bay ein und mit Sonnenuntergang sind wir in der Marina fest. Dort werden wir von einem Deutsch-Kanadischen Ehepaar, Hans und Nancy freundlich begrüßt. Die beiden laden uns auch gleich für den nächsten Abend auf ein Bier.

Am nächsten Morgen ist Einklarieren angesagt: Ausfüllen unzähliger Formulare mit Durchschlägen und klassischen Blaupapier. Dann Stempel, Stempel, Stempel und wir dürfen uns auf St. Lucia frei bewegen. Diese Freiheit nutzen wir gleich aus und wandern an der Bay entlang zu Pigeon Island, einem Felsen am Eingang der Bucht wo abwechselnd Franzosen und Engländer ihre Kanonen aufgebaut hatten. Heute ist dort ein wunderschöner Park für dessen Besuch man einige “Eastern Carribbean Dollars” hinlegen muss.

Ach ja, Eastern Carribbean Dollars: Daran müssen wir uns erst einmal gewöhnen. Die gelten auf den meisten unabhängigen Inseln und sind fest an den US Dollar gekoppelt. Die Verwirrung entsteht, weil immer mal wieder auch Preise in US Dollar ausgezeichnet sind, insbesondere beim Schiffsausrüster. Da liegt dann ein Faktor 3 zwischen Erwartung und Wirklichkeit.

Beim Spaziergang zurück zur Marina schlendern wir durch das farbenfrohe Gros Islet Village um dann wieder durch das bewachte Gate in die Marina zurück zu kehren. Die ist in der Tat ein goldener Käfig mit Pool, Restaurants, Cafes, Schiffsausrüster, Bootsreinigern, Wäschefrauen und natürlich saftigen Preisen.

Blick über Rodney Bay von Pigeon Island

Wie diese merkwürdige Welt funktioniert, lernen wir etwas besser verstehen nach unserem netten Abend mit Hans und Nancy. Auch Lothar ist gekommen. Er lebt 80-jährig allein auf seiner Nauticat und pendelt je nach Jahreszeit und Wetter zwischen den Inseln. Für die Einwohner der Inseln haben Hans und Lothar wenig Respekt. Hans hat ein Leben lang in Afrika gearbeitet und davon wenig Positives über die Menschen dort zu berichten. Dieselbe Meinung hat er auch von den Menschen in der Karibik, die nicht hinter hohen Zäunen bewacht und geschützt von der Wirklichkeit vor Ort leben.

Zora vor Anker in Marigot Bay auf St. Lucia

Einen weiteren Teil dieser  Wirklichkeit bekommt dann auch die Zora am nächsten Tag beim Einlaufen in Marigot Bay  zu spüren: Wir werden von Boat Boys und Obstverkäufern ich ihren Schlauchbooten drangsaliert, die uns beim Festmachen helfen wollen, ihre Ware andrehen und allerlei Ratschläge erteilen. Alles natürlich gegen EC$, versteht sich.  Bei der gleichzeitig einlaufenden 70 Fuss Oyster sind sie wohl nichts geworden: Die Bordwand ist einfach zu hoch und die Jungs in ihren Crew T-Shirts wirken zu muskulös…

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