//WL2K Traum im Atlantik

Über die Kraterseen auf Sao Miguel wird diese Legende erzäht: In der reichen Stadt Atlantis hatte der König keine Kinder. Tieftraurig über seine Einsamkeit war sein höchstes Bestreben doch noch einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu bekommen. Schließlich versprach ihm eine weise Frau, er werde eine wunderschöne Tochter haben aber er dürfe sie nie sehen. Sonst werde sein Königreich versinken. Viele Jahre wuchs das schöne Kind bei einfachen Leuten heran. Als der König schließlich sein Ende spürte, konnte er seinen brennenden Wunsch nicht mehr unterdrücken, doch einmal seine Tochter zu sehen. Kaum aber hatte er sie erblickt, verschlang das Meer die Stadt in einem mächtigen Vulkanausbruch. Mit allen anderen Bewohner stürzte die Tochter in den Kratersee, der nach dem Unglück zurückblieb und ihre blauen Augen färbten das Wasser himmelblau. Als wir mit dem Bus von Ponta Delgada in Sete Cidades am Ufer des Kratersees ankommen,ist hier nichts himmelblau. Der Himmel ist grau und das Wetter ist windig und kühl. Immer wieder ziehen Regenschauer durch und Wolkenfetzen wehen über den Rand der Caldeira, den wir gerade mit dem Bus überquert haben. Das Wetter ist alles andere als einladend für eine Wanderung hinauf auf den Miradouro del Rei, den Königlichen Ausblick. Und so landen wir schnurstracks erst einmal in einem kleinen Café, wo es süße Köstlichkeiten und Galao, Milchkaffee, in großen Mengen und zu günstigen Preisen gibt. Aber schließlich ziehen wir unsere Jacken über und stapfen hinaus in den Regen. Wir haben den großen weiten Atlantik besegelt. Da wird uns doch wohl ein Schauer nicht stoppen. Den ersten Teil des Weges folgen wir der Fahrstraße und biegen dann auf einen Forstweg, der uns zum Kraterrand führt. Die Hänge auf der Innenseite der Caldeira fallen fast senkrecht hinunter zum See und sind docj dicht grün bewachsen und vollkommen unwegsam. Nur auf der Straßen oder den wenigen Wegen kommt man hier voran. Unten im Tal liegen satte grüne Wiesen, auf denen die Kühe weiden. An den Rändern der Wege blühen in leuchtendem Rot die Azaleen. Auf der Höhe erreichen wir ein verfallenes Hotel, von dem im Reiseführer berichtet wird. Obwohl an allen Eingängen Sperrschilder angebracht sind, wird empfohlen auf das Dach des Gebäudes zu steigen, um den besten Ausblick zu haben. Wir durchqueren das ehemalige Foyer und steigen eine breite Treppe hinauf. Von den Decken tropft das Wasser, die Geländer fehlen und durch die leeren Aufzugsschächte könnte man viele Meter in die Tiefe stürzen. Auf dem Dach werden wir dann mit einem wirklich königlichen Ausblick: Über die Hänge des ehemaligen Vulkans kann man weit hinaus auf den Atlantik blicken, auf dem sich inzwischen immer mal wieder die Sonne blicken läßt. Dann glitzert das Wasser silbern auf dem graublauen Untergrund der sich um den Horizont spannt. Tief unter uns liegt das Fischerdorf Mosteiros, vor dessen Ufer sich der Atlantikschwell an riesigen einzelen Felsen bricht. Dazwischen, auf der Außenseite der Caldeira, liegen grüne Hänge mit kleinen Dörfern und Kuhweiden. Am Nachmittag ist dann die Front durchgezogen, die Wolken verschwinden und die Sonne kommt heraus. Plötzlich wird aus dem grauen November eine warmer Sommertag, der die Farben der Landschaft aufleuchten lässt. Wir siten inzwischen wieder im Bus zurück nach Ponta Delgada. Der fährt nämlich nur einmal am Tag: Morgens hin und abends wieder zurück. Am Abend wandern wir dann durch die gepflegten Gassen der Altstadt und genießen schließlich ein köstliches Abendessen in einem der vielen kleinen Restaurants, die heute, am Pfingstmontag, von den Azorianern gut gefüllt sind.

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