Lissabon Madeira

Freitag, 22. September 2017

Auch dieser Trip beginnt natürlich in üblicher Haas-Manier: „Oh ist es schon halb zwölf?“ Aber wie immer schaffen wir es dann doch pünktlich zum Flughafen. Zwar bedarf es einer kleinen Umpackaktion, um die Gewichtsregularieren der Fluggesellschaft einzuhalten, aber danach läuft alles glatt. Sehr zum Erstaunen unseres Skippers. Alles Gepäckstücke da, immer die richtige Bahn erwischt, Boot schwimmt noch, wie es soll und Abendessen schmeckt. Ah, Moment. Das stimmt nicht so ganz. Auch wenn ich mich im Flieger noch auf alles vorbereite , indem ich die Sammlung von Berichten über gesunkene Segler „Total Loss“ lese, konnte die Lektüre mich nicht auf diesen „Total Loss“ vorbereiten. Die gesamte Ladung Nudeln ging schnurstracks über Bord. Jeglicher Versuch der Crew durch verzweifeltes Hinzufügen von Salz und Pfeffer war absolut vergeblich und schließlich mussten wir aufgeben. Was passiert war: Der Frischwasserhahn am Waschbecken war nach langem Nichtbenutzen noch etwas widerspenstig, da nahm Tobias stattdessen ein bisschen Mineralwasser. Allerdings handelte es sich bei der unetikettierten Flasche nicht um Frischwasser, sondern um Tonic Water. Einen Versuch es mit Gin zu verbessern haben wir unterlassen, aber sollte einer unser Leser damit Erfahrung gemacht haben, würden wir uns sehr über einen Erfahrungsaustausch freuen.

Samstag, 23. September 2017

Wenn du hast Scheiße am Schuh, dann hast du Scheiße am Schuh. Tja auch im sonnigen Cascais ist man nicht davor gefeit in Scheiße zu treten, um so ärgerlicher, wenn diese im eigenen Boot schwimmt. Ein Außenstehender könnte wohl berichtigte Zweifel stellen, ob es sich wirklich um erholsamen Urlaub handelt, wenn man am ersten Tag erst mal das Klo reparieren muss und dann Teile des Bootes mit dessen Inhalt fluten. Allen Zweiflern sei gesagt, alle Beteiligten können es auch nicht verstehen.

Juri und Rahel sind unterdessen mit einem Großeinkauf beschäftigt und kommen voll beladen wieder. Nur noch wenige weitere Vorbereitungen und wir legen ab. Lässt man ein paar Details wenig, war unsere Abfahrt sogar entspannt. Diese Kleinigkeiten wären Diesel, Navigations-iPad, aber wer will schon Details. Wir schauen schnell drüber hinweg, denn wir sind heiß auf segeln! Während einige sich nach dem Abendessen (ohne Tonic, der flog in den Müll) schnell in die Koje verkrümelten, genossen andere den tollen Sonnenuntergang.

Sonntag, 24. September 2017

Die ersten 24h Segeln sind unheimlich entspannt. Zwar ist der Anfang noch nicht sehr erholsam, da wir uns alle erst wieder an das Schaukeln auf See gewöhnen müssen, aber schon bei den ersten Sonnenstrahlen sind alle schwer beeindruckt von dem langen und hohen Atlantikschwell.

Da uns der Wind ein bisschen im Stich lässt, beschließen Tobias und Juri die Köpfe zusammen zu stecken und das Modem für das Kurzwellenfunkgerät zu reparieren. Vereinte Kräfte, grübeln, messen, löten, denken und nach mehreren Stunden: „Die Hardware geht. Nur noch die Software.“ Aber das wird vertagt.

Mittlerweile versuchen wir anderen beiden die Zeit tot zu schlagen. Dank Windsteueranlage, die sogar den Steuermann der Pinta alt aussehen lassen würde, gibt es nichts zu tun, außer zu checken, dass alle anderen Schiffe mehr als 30nm entfernt sind, gelegentlich Essen machen und so wird gelesen, gestrickt und gegessen. Juri bringt es auf den Punkt, der einzige Unterschied, wenn man auf Wache ist, man dürfe nicht schlafen.

Montag, 25. September 2017

Als ich heute um sechs Tobias von seiner Wache ablöste, schwärmt er von einer mitnächtlichen Öffnung der dichten Wolkendecke, sodass er den Orion bestaunen konnte. In der Tat ist der Sternenhimmel mitten auf dem Meer spektakulär.

Später am Tag gibt es plötzlich einen Aufschrei. Die Crew an Deck ist schon sehr irritiert. Tobias hat es nun auch die Software richtig eingestellt und die erste Email verschickt. Kurze Zeit später sind wir dann auch in freudiger Konversation via Kurzwelle mit Leuten aus Finnland, Deutschland und Gran Canaria. Hauptgrund war natürlich, dass wir die Wahlergebnisse erfahren wollten, die erhaltene Nachrichten wollen nicht weiter kommentieren.

In der Nacht packt Tobias erneut die astronomische Entdeckerfreude erneut und gemeinsam arbeiten wir uns durch Sternenkarten. Ich als absoluter Astronomielaie, entdecke echt vieles.

Dienstag, 26. September 2017

Der nächste Morgen beginnt stressig. Es sollte bis zehn Uhr dauern, bis wir endlich Frühstück bekommen sollten. Bis dahin werden wir mehr Manöver fahren als die ganze Tour zu vor. Es ist immer wieder eine Freude vom Skipper eine Stunde vor der Wache geweckt zu werden. Aber gut, damit es heute Brot geben kann, muss erst das Petroleum aus der Backskiste unter der Pinne geborgen werden. Also geben wir Diego (die Windsteueranlage ist mittlerweile von einigen so getaut, ein anderer Teil der Crew nennt sie Hugo) kurzer Hand eine Pause vom steuern und legen uns kurz back. Nachdem wir wieder auf Kurs sind merken wir, der Wind hat gedreht und wir fahren genau dort hin, wo wir das Hochdruckgebiet vermuten. Es ist schon ein wenig lustig, dass man eine Halse mitten auf dem Meer fährt ohne, dass jemand am Ruder ist. Im Wesentlichen muss eigentlich nur der Klüver auf die andere Seite ausgebaut werden, aber das erfordert schon vier Hände auf dem Vorschiff. Ohne größere Probleme gelingt uns das Manöver und die aufwachende restliche Crew stellt belustigt fest: “Menschen, hier oben sieht es ja ganz anders aus.”

Ansonsten ähneln sich unsere Tage. Bis plötzlich am Horizont ein Segel auftaucht. Empörung macht sich breit. Jemand ohne AIS hat sich von hinten an uns heran geschlichen. Das motiviert uns, dann doch einmal unseren Trim zu begutachten und hier einen bisschen zu fieren und da etwas anziehen und schon verschwindet das Segel auch wieder hinterm Horizont. Denen haben wir es gezeigt! Skipper ist stolz und spendiert drei 20cl Biere (Crew + Skipper = 4 Personen)… Hoffentlich holt uns nicht noch jemand ein, Angst macht sich breit, was wohl dann passiert, gibt es dann zwei 20cl?.

Mittwoch, 27. September 2017

Nach knapp 75h liegen vor uns nur noch 236nm und es wird gewettet, wann die Zora Funchal erreichen wird. Grundoptimist Juri sagt, wir brauchen noch 39h, Tobias und Rahel sind mit 48h und 49h, was mich dann wohl mit 53h zum Pessimisten macht. Wirklich mehr ist nicht passiert.

Donnerstag, 28. September 2017

Was die Gripfiles schon angedroht haben, ist dann gegen Mitternacht, natürlich während meiner Wache, auch eingetreten. Der Wind ist eingeschlafen und wir treiben vor uns dahin. Das Schlimmste jedoch ist das dauerhafte Rollen des Bootes. Aber glücklicherweise lässt nach und nach auch die Welle nach. Allmählich hat sich endgültig eine Tagesroutine eingestellt. Die erste Tageswache fährt Manöver falls nötig, denn in der Dunkelheit wollen wir nicht auf dem Vordeck mit dem Klüverbaum jonglieren. Es ist halt ein Cruise und kein Race. Heute besteht das Manöver aus Segel bergen, und dann wie immer Frühstück. Juri macht nicht nur frisch gebackenes Brot, sondern auch Spiegeleier. Vormittags wird dann gearbeitet. Heute werden zwei neue Innovationen von Tobias installiert. Nach dem die Segel geborgen sind, kann der Großbaum zweckentfremdet werden. Alle sind sich einig, dass das selbst entworfene Sonnensegel die Lebensqualität unseres Nichtstun enorm steigert. Wie Beduinen sitzen wir im gemütlichen Schatten. Aber total nervig ist, wir müssen selber steuern. Diego kennt natürlich Motoren nicht und dem entsprechend verweigert auch weiter zu steuern. Aber Innovation Nummer zwei sollte uns, dass mittlerweile verlernte Steuern, wieder abnehmen. Eine Tupperdose! Ja in der Tat, diese tolle Box, in der wir unsere Äpfel, Brote, Salate oder was auch immer zur Arbeit, Schule oder sonst wo mit nehmen. Nun zu gegebener Maßen unterscheidet sich diese Dose ein wenig, wie sie üblicherweise ist. Zum einen sind in drei Wänden jeweils ein Stecker eingelassen und im Deckel eine Autopiloteinheit, die durch eine externe Kompasseinheit mit einem Kurs versorgt wird (Stahlschiff und Kompanten sind bekanntlich nur begrenzt kompatibel). Der Autopilot sendet dann an eine Steuereinheit und nach zwei Kalibrierungskreisen sind wir wieder beschäftigungslos. Denn wir erwarten, dass der Wind erst wieder einsetzen wird, wenn wir Madeira schon erreicht haben. So bleibt Zeit für andere Beschäftigungen, so hat Rahel seit dem Ablegen einen Pullover gestrickt und heute früh ist ein Sockenpaar in Produktion gegangen. Juri, und für Leute, die ihn schon etwas länger kennen, entdecken vielleicht die Pointe, arbeitet sich durch ein Buch, das knapp 2,4 Kilo wiegt. Tobias baut und bastelt oder hält unser Leben mit der GoPro fest. Wenn ich nicht gerade maßlos viele quatsche, schreibe ich an diesem Blog. Die anderen ermuntern mich auch fleißig, dass er auch sehr ausführlich sein kann, was auch immer das heißen mag…

1500 heißt es gesammelte Mannschaft antreten und an der Reling aufstellen. Es ist Waschraum! Ein Glück wir konnten uns echt schon nicht mehr riechen. Wow wir baden in über 4400 Meter tiefen Wasser und es ist so unglaublich klar. Naja, Juris Kommentar: “Hilft uns Brillenträgern auch nicht wirklich.” Nachdem wir wieder unsere Fahrt unter Motor aufgenommen haben, fliehen wir aufs Vordeck, um möglichst viel Abstand zum lärmenden Motor zu bekommen, was Juri dazu veranlasst die Nacht draußen zu schlafen. Ich beschließe kurzer Hand zu folgen. Noch war die Nacht ziemlich klar und der Mond fast halb voll erleuchtete alles mehr als ausreichend. Insbesondere das Meeresleuchten war besonders kräftig. Und während wir auf dem Deck so liegen, höre ich auf der Steuerbordseite ein Geräusch. Der Hai wird es wohl nicht sein, den wir am Abend in einigem Abstand gesehen haben. Als ich dann endlich die Brille auf habe, ist mir klar das es ein Delphin ist. Schnell rufen wir die anderen an Deck. Denn besonders spektakulär ist, dass das Auf- und Wiedereintauchen des Tieres ebenso Meeresleuchten produziert. Leider bleiben die beiden Delphine nicht lange, sodass Rahel und Tobias sie nicht zu Gesicht bekommen. Alleine deswegen hat es sich schon gelohnt draußen zu schlafen.

Donnerstag, 29. September 2017

Donnerstag war wohl der unaufregendste Tag von allen. Wir hatten nichts zu basteln, es war immer noch kein Wind und fuhren mit Motor immer Richtung Westen. Es wurde also gestrickt, gelesen, gegessen und geschlafen. Ah, und wir auf Porto Santo angelegt. Wir wollten nur bei Tageslicht einen unbekannten Hafen erreichen und beschlossen so 30nm vor Madeira die ehemalige Heimat von Christoph Kolumbus anzulaufen. Mensch, war die Dusche toll! Freitag soll auch endlich der Wind wieder einsetzen, sodass wir die Etappe nach Madeira segelnd beenden können.

Freitag, 30. September 2017

Freitag war der Tag der ersten Male. Also seglerisch. Wir mussten zwar wieder unter Motor beginnen, aber nachdem wir aus der Windabdeckung heraus kamen, konnten wir den Gennaker setzen. Ah diese Ruhe und schnell ist es auch noch. Und dann kam schon die nächste Premiere. Regen! Irgendwie konnten wir uns alle sehr gut daran erinnern, dass Tobias uns Dauersonne versprochen hatte, aber die Abkühlung tut trotzdem gut.

Schließlich genießen wir die Aussicht entlang der Südspitze Madeiras entlang zu segeln. Besonders spannend sind da die Flugzeuge, welche im engen Kreis über uns die Landebahn auf einer Brücke anfliegen. Hierbei sieht Rahel auch endlich ihre ersten Delphine. Sie kann wieder beruhigt schlafen.

Den Abend lassen wir mehr als entspannt in einer Bar bei sehr gutem Madeira Wein ausklingen.

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